Hmm … klingt beim Lesen schon irgendwie irritierend, denn da kommt wirklich rein, was im Namen steht. Lakritz und Pfefferminz. Auch wenn sich vielen jetzt schon die Geschmacksknospen nach innen stülpen, ist das alles halb so gruselig, wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt. Ich braue sehr viele sortenreine Biere, so dass alle paar Sude auch mal ein Experiment in den Kessel muss. Diese Zutaten müssen natürlich zu einem Bierstil passen. Lakritz in einem Münchener Hellen? Eher nicht. Aber z.B. ein Porter ist als Basis dafür prädestiniert. Es ist dunkel und geschmacksintensiv, schmeckt gerne mal mach dunkler Schokolade, Kaffee, Nuss und geröstetem Brot. Für das Magnificent Seven Robust Porter hab ich schon mal was darüber geschrieben. Häufig findet man in Portern (also ich zumindest) bereits dezente Aromen, die an Lakritz erinnern. Allerdings stammen die nicht von Lakritz selbst, sondern von den eingesetzten Spezialmalzen und deren Zusammenspiel. Das kann man doch auch noch ein bisschen forcieren habe ich mir gedacht.
Zunächst habe ich einige Experimente gestartet und versucht, den Geschmack mit Süßholz zu erzeugen. Lakritz ist ja nichts anderes als konzentriertes Süßholzextrakt. Dazu habe ich getrocknetes Süßholz im Reformhaus besorgt und Auszüge in verschiedenen Konzentrationen (von 1 Gramm pro Liter bis 4 Gramm pro Liter) in kochendem Wasser gemacht. Das Ergebnis? Naja, sagen wir es kam dann eher einem winterlichen Tee nahe als den gewünschten Lakritznoten. Mit ein bisschen Ingwer, Kardamom und Anis wär’s ein feiner Tee für die kalte Jahreszeit gewesen. Den Ansatz habe ich also verworfen. Da Lakritz wie man es z.B. von Haribo der Katjes aus dem Supermarkt kennt, zusätzliche Inhaltsstoffe wie diverse Zuckerarten, Stärke oder Gelatine, Farbstoffe, Überzugsmittel wie Carnaubawachs und häufig zusätzliche Aromen enthält kam das natürlich nicht in Frage.
Auf der Suche nach reinem Lakritz Extrakt bin ich dann auf sogenanntes „Erwachsenenlakritz“ aufmerksam geworden. 100% reines Lakritz ohne jegliche Art von Zusatzstoffen. Es enthält einen hohen Gehalt an Salmiak (was den typischen Lakritzgeschmack ausmacht), ist tiefschwarz und hart wie Stein. Mit diesem Laktritzgranulat habe ich dann einen erneuten Auszug mit (0,5 Gramm pro Liter bis 2 Gramm pro Liter) kochendem Wasser gemacht. Letztlich war bei rund 1 Gramm das Aroma so, wie ich es mir vorgestellt habe.
Das Porterrezept, das ich als Ausgangsbasis zusammengestellt habe, besteht aus ca. 40% Hafermalz und zu 40% aus britischem Marris Otter Pale Ale Malz. Für den malzigen „Mittelbau“ des Bieres sollen zudem Münchener und Cara Aroma Malz sorgen. 5% Pale Chocololate Malt geben dem Porter einen nussig-Schokoladen Ton und 10g Black Malt auf 2kg Schüttung schieben die Farbe in den schwarzen Bereich und geben dem Bier ein röstig scharfe Note, ohne zu brenzlig zu schmecken.
Nun kommt das Lakritz in Spiel. 30 Minuten vor Ende des Hopfenkochens habe ich dann 9 Gramm Lakritz in die Sudpfanne gegeben. Die Granulatkörner haben sich innerhalb von ca. 15 Minuten langsam aufgelöst und eine dezenten Lakritzduft verströmt. Bis hierher schon sehr spannend.
Um dann? Ach ja Pfefferminz. Warum Pfefferminz? Schoko und Minze ist eine traditionelle Mischung, die gerne in der Konfiserie und Patisserie verwendet wird. Naja und After Eight kennt ja eh jeder. Auch Lakritz und Minze kommen in Süßigkeitenmischungen sehr häufig zum Einsatz und harmonieren wunderbar. Also habe ich einen Topf Bio-Pfefferminze besorgt und auch hier mit der Dosierung experimentiert.
5 mittelgroße Blätter pro Liter habe ich dann als Dosierung der Wahl ermittelt, um einen gaaaanz dezenten Minzton zu erzeugen. Die Blätter kamen dann grob gehackt nach Kochende zum Nachisomerisieren für 10 Minuten in die Sudpfanne. Wie das das am Ende dann harmoniert, welche Noten herauskommen, welche überdeckt werden und welche vielleicht bei der Gärung ausgetrieben werden weiß ich bis jetzt nicht. Das wird wie immer die Geduld zeigen. Wenn alles glatt läuft wird’s ein Bier für Weihnachten.
to be continued …
UPDATE vom 06.12.2015
Nach wenigen Tagen hatte die S-04 Hefe die Stammwürze von 14° auf 5,2° Plato Restextrakt verarbeitet und einen dicken Bodensatz gebildet. Zu dem Zeitpunkt dachte ich, das wäre (hoffentlich) noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn 5,2° Plato ist dann doch relativ viel als vermeintliches Endergebnis der Gärung. Auch nach weiteren 1,5 Wochen Geduld, einer leichte Temperaturerhöhung und mehreren Messungen hat sich jedoch keine weitere Extraktverringerung mehr ergeben. Möglichweise wirken sich die Inhaltsstoffe des Lakritz negativ auf den Metabolismus der Hefe aus. Keine Ahnung. Und so habe ich letzendlich abgefüllt und mal eine Nase genommen. Oha, wenn ich da mich trotz Tests mal nicht mit dem Lakritz überdosiert habe! Das Jungbier läuft wie Schweröl aus dem Silikonschlauch und verströmt einen recht aufdringlichen Lakritzgeruch.
Allerdings nicht dieser süßliche-anisartige Latritzgeruch, den man z.B. auf Weihnachtsmärkten findet oder von den Produkten von Hans Riegel aus Bonn kennt, sondern eher irgendwie mineralisch-würzig. Ich glaube das Bier muss bis zur Trinkreife einige Zeit lagern. Mal abwarten, was ich da verbrochen habe.!?
UPDATE vom 24.03.2016
Der metallische, mineralische Geruch und Geschmack hat sich in 3,5 Monaten nicht abgebaut. Das Bier ist leider in dieser Form nicht genießbar. Und so muss ich schweren Herzens tun, was ich vorher noch nie tun mußte:
Annähernd ein ganzer Kasten wunderschönes, aber leider untrinkbares Bier ist geade in den Ausguss gewandert. Hmm, was sind die Erkenntnisse aus diesem Versuch? 100% reines Erwachsenenlakritz ist ne Bitch. Die Dosierung muss vermutlich um 70-80% verringert werden oder besser durch hochwertiges Süßwarenlakritz ersetzt werden.