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  1. Sud Nr. 42 – Fermentus Pilsener

    August 12, 2015 by Heiko

    Nach einigen Experimenten hatte ich mal wieder Lust auf ein bodenständiges Deutsches Pilsener. Ganz ohne „Experimente“ geht’s dann aber doch nicht.

    Für ein gutes und sortenreines Pilsener ist für viele Brauer das Brauwasser die wichtigste Variable im Spiel. Während die meisten obergärigen Biere ungeplante „Nebengeräusche“ im Bier relativ einfach als gewollt verkaufen können bzw. es meist niemandem auffallen würde, lässt ein Pils da relativ wenig Spielraum für Fehler.

    Dies liegt zum einen daran, dass der deutsche Biertrinker das Pils seit langem als Lieblingsbier auserkoren hat und somit konkrete Vorstellungen hat, wie ein gutes Deutsches Pils schmecken muss. Zum anderen liegt es daran, dass ein Pils ein extrem „fehlerintoleranter“ Bierstil ist. Das heißt, eine ungewollte Fruchtigkeit, ein übertriebener Körper oder eine unausgewogene Bittere sind einfach nicht sortentypisch.

    Beim Pilsbrauen hat die geeignete Zusammensetzung des Brauwassers einen sehr hohen Anteil am Geschmack des fertigen Bieres. Hmm, Wasser? Es kommt aus der Leitung, ist (im Idealfall) durchsichtig und der Gesetzgeber sorgt dafür, dass keine bösen Dinge drin sind. So sieht Otto-Normalverbraucher Wasser.

    Der Bierbrauer schaut mit anderen „Augen“ auf das gute alte H2O. Welche Restalkalität hat es? Welcher Gehalt bestimmter Salze liegt vor? Wie ist das Verhältnis von Karbonathärte zur Nichtkarbonathärte?

    Um diesen Fragen auf die Spur zu kommen erfragt man am besten beim regionalen Wasserversorger zunächst die Messdaten für das örtliche Trinkwasser. Dies ist gesetzlich geregelt und muss transparent vorgehalten werden.

    Im Internet gibt es Rechentools (meist auf Hobbybrauerseiten), die man nutzen kann, um anhand der lokalen Wasserwerte die Eignung für bestimmte Bierstile herauszufinden. Die Menge der enthaltenen Salze und deren Verhältnis zu einander spielen dabei eine entscheidende Rolle. Hier in die Tiefe zu gehen würde zum einen den Rahmen sprengen und zum anderen haben das schon andere viel besser gemacht als ich es könnte.

    Andreas Staudt hat in der Frühjahr 2015 Ausgabe des Braumagazins einen guten Artikel („Von der Wasseranalyse zum Brauwasser„) geschrieben.

    Den kann ich nur empfehlen, wenn man sich etwas tiefer in die Materie einlesen möchte. Ich versuche hier relativ dicht an Oberfläche zu bleiben und es pragmatisch zu formulieren. Um mit dem lokalen Wasser brauen zu können gibt es grundsätzlich 2 bzw. 3 Möglichkeiten.

    1. Biere brauen, die zum lokalen Wasserprofil passen oder
    2. Wasser aufbereiten oder
    3. Wasser aus anderen Quellen „importieren“

     

    Variante 1. und 2. (in begrenztem Maße) habe ich schon gemacht und nun entschieden, Möglichkeit 3 auszuprobieren.

    Unter Hobbybrauern wird ein tschechisches Mineralwasser als Tipp gehandelt, das in Deutschland unter dem Namen Purania u.A. bei Real und Edeka vertrieben wird. Die 5 Liter Flasche kostet einen Euro. Viel wichtiger als die Bezugsquelle ist jedoch die eigentliche Quelle. Die liegt nämlich in Tschechien weist eine sehr niedrige und (fürs Brauen) günstige Mineralienzusammensetzung auf. Für die überarbeitete Neuauflage eines Deutschen Pilseners habe ich 60 Liter Purania besorgt, um es als Brauwasser für Haupt- und Nachguss zu verwenden.

    Außerdem kommt noch ein kleiner Zutatenkniff zum Einsatz, für den Reinheitsgebotfanatiker wohl verächtlich vor mir auf den Boden spucken würden. Ich nehme eine kleine Dosis Reisflocken und Weizenmalz zu Hilfe. („Steinigt ihn! Er hat Jehova gesagt!“)

    Okay mal die Reinheitsfolklore beiseite. Diese drei Zugaben haben folgenden Effekt.
    Der Reis unterstreicht den Hopfen und sorgt für einen schlanken Körper.
    Das Weizenmalz stabilisiert den Schaum und gibt einen dezenten Beitrag zu Vollmundigkeit.

    Die Anteile liegen bei jeweils 3-5% womit über 90% der Schüttung aus Pilsener Malz bestehen. Damit ging’s dann ins Rennen.

    Ansonsten würde ich das Rezept als klassisch bezeichnen:

    Rezept „Fermentus Norddeutsches Pilsener“

    Ausschlagmenge: 44l
    Stammwürze: 11.9°P
    Alkohol: 4.9%vol
    Bittere: 30IBU
    Farbe: 7EBC

    Schüttung:
    7100g Pilsner Malz (91%)
    400g Reisflocken (5%)
    300g Weizenmalz hell (4%)

    Zusätze:

    Wasser:
    Hauptguss: 30l
    Nachguss: 30l

    Maische:
    7800g Schüttung Einmaischen in 30 Liter Wasser mit 56°C. 10 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 62°C. 45 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 72°C. 20 Minuten Rast.
    Abmaischen bei 78°C wenn Jodnormal

    Hopfen:
    80g Saazer Pellets 4.1%a 65min Kochen (20 IBU, 67%)
    100g Saphir Pellets 2.9%a 10min Kochen (10 IBU, 33%)

    Hefe:
    Licher Brauerei, Gärung bei 10°C

    UPDATE 06.12.2015

    Ich habe das Pils nun seit einigen Wochen aus der Kaltreifung und mittlerweile etikettiert. Von den drei bisherigen Pilsversuchen ist dieses das bisher beste Ergebnis geworden. Es ist sehr weich und die Bittere nicht zu hart betont. Das tschechische Wasser werde ich auf jeden Fall für den nächsten Versuch nochmal verwenden, bevor ich mich dann irgendwann selbst noch tiefer mit der Brauwasseraufbereitung beschäftigen werde.

    pilsener_etikettiert