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Posts Tagged ‘Weizenbier’

  1. Sud Nr. 64 – Fermentus Dunkles Weißbier

    September 25, 2016 by Heiko

    Nach einigen Experimenten und Bieren mit zusätzlichen Zutaten stand an diesem Wochenende ein Klassiker auf dem Plan: Ein dunkles Hefeweizen. Ich sage bewusst Klassiker und verwende nicht den Begriff „Reinheitsgebot“, den genau nach diesem sind Weizenbiere eigentlich per Definition nicht gebraut. Der bayerische Brauerbund sieht das natürlich etwas anders. Gerste, Hopfen und Wasser stehen im RHG von 1516 und von Weizen ist da erstmal nicht die Rede. Die Geschichte, dass man seinerzeit den wertvollen Weizen vor dem Braukessel schützen wollte, um genug davon zum Brotbacken zu haben sei mal nur am Rande erwähnt. Die Bayern sehen dies wie bereits gesagt ein wenig anders.

    Der bayerische Brauerbund wäre ja nicht der bayerische Brauerbund, wenn man sich nicht Welt so biegen würde, wie es ins Konzept passt. Sie schreiben …

    Beim Reinheitsgebot handelt es sich also eher um ein Verbot, was nicht ins Bier hinein darf, als um eine Verpflichtung, was hinein muss. Da die Verwendung von Weizen jetzt schon seit über 450 Jahren als im Einklang mit dem Bayerischen Reinheitsgebot von 1516 gesehen wird, darf man wohl von einer traditionellen Anerkennung sprechen.

    Wie sollte Weizenbier auch nicht dem Sinn des Reinheitsgebotes von 1516 entsprechen, wenn Herzog Wilhelm IV. erst gemeinsam mit seinem Bruder Ludwig X. dieses „Reinheitsgebot“ erlässt und einige Jahre später selbst und ausschließlich den Degenbergern die Weißbierproduktion ausdrücklich gestattet?

    Quelle: http://www.bayrisch-bier.de/bier-wissen/geschichte-des-weisbieres

    Unabhängig davon wie sensationell ich den Begriff der „traditionellen Anerkennung“ finde („Des moch ma hoit einfoch so lang, bis des a Tradition is.“) ist das wieder mal typisch. An den Stellen, an denen es die eigene Vorgehensweise legitimiert interpretiert man es so wie es einem gerade in die Folklore passt und anderer Stelle nutzt man das Reinheitsgebot als Totschlagkriterium. Jo Himmel Herrgott Sakra!

    Hmmm, aber ist genau das nicht das exegetische Urpoblem, also das der Auslegung von (auch gerne mal heiligen) Schriften? Zu interpretieren, was genau „im Sinne“ des Verfassers ist und dies dann als Dogma festzulegen ist schon höchst fragwürdig. Ein sehr aktuelles Thema. Okay es ist eher unwahrscheinlich, dass sich der Huber Johann (64 Jahre, Weißbierbrauer) morgen mit einer C4-Lederhose bestückt auf einem Craftbeerfestival in die Luft sprengt, weil dort ein Belgisches Witbier ausgeschenkt wird und dies sicherlich nicht im „Sinne“ von Herzog Wilhelm IV sein kann. Aber „Bier“ dürfte man bei diesem „obergärigen Biermischgetränk“ (jaja, so müsste das dann heißen) trotzdem nicht auf die Flasche schreiben, geschweige denn es als selbiges in Umlauf bringen. Eine verrückte weiß-blaue Welt ist das manchmal.

    Aber sei’s drum. Im Mittelpunkt stand heute ohnehin nicht die Diskussion ums Reinheitsgebot, sondern das leckere dunkle Weißbier, das ich mit meinem Schwiegerpapa als Geburtstagsgeschenk eingebraut habe. Um den Ablauf eines Brautages, Die Arbeitsschritte und die Funktionsweise einer (Hobby)Brauanlage kennenzulernen, blieb der Speidel Braumeister im Keller und meine manuelle Anlage kam mal wieder zum Einsatz. Das heißt Schroten, Heizen, Rühren, Schöpfen, Schütten, Läutern, … alles per Hand, um möglichst viel vom gesamten Prozess kennen lernen zu können.

    Zum Frühstück gab‘s traditionell Weißwurst, Brez’n und Weißbier. Und stilecht haben wir die Weißwürste in der Maische gegart. Keine Angst, die haben wir natürlich nicht direkt in den Maischekessel geworfen, sondern vakuumiert, quasi „Weißwurst sous vide“.

    weisswurst

    Der Brautag hat wirklich viel Spaß gemacht und erst nach der Endreinigung hat es dann angefangen zu regnen. Gambrinus war uns wohlgesonnen und alleine deswegen muss es ein prima Bier werden.

    Da die Wahl der Hefe in meinen Augen der wichtigste Aspekt beim Kreieren eines guten Weißbieres ist, habe ich mich entschieden die Hefe der zurecht sehr beliebten Brauerei Schneider zu nutzen. Dazu muss man als Hobbybrauer nicht viele hundert Kilometer bis in bayerische Kehlheim fahren, sondern nur in den gut sortieren Getränkemarkt um die Ecke. Die Brauerei Schneider nutzt nämlich auch zur Flaschengärung ihre Weißbierhefe und pasteurisiert die Flaschen zudem nicht. Das heißt in jungen Schneiderflaschen ist vitale Hefe im Bodensatz der Flasche enthalten und kann mit ein wenig Geschick zum Vergären eines eigenen Weißbieres eingesetzt werden. „Hefe strippen“ nennt das der Hobbybrauer und macht regen Gebrauch davon. Ich konnte Flaschen auftreiben, die nur 4 Wochen seit der Abfüllung lagerten und daraus die Hefe gewinnen. Die Bodenätze von insgesamt fünf Flaschen habe ich dann einige Tage mit einer Würze aus Trockenmalzextrakt angefüttert. Die hat dann letztendlich so heftig losgelegt, dass es seit langem mal wieder die Hochkräusen durch den Gärspund gedrückt hat.

    schneider_hefe

    Aktive kleine Bastards diese „Schneidersens“.

    Hier das Rezept:

    Ausschlagmenge: 20l
    Stammwürze: 12.5°P
    Alkohol: 5%vol
    Bittere: 11IBU
    Farbe: 40EBC

    Schüttung:
    2000g Weizenmalz dunkel (46%)
    2000g Münchner Malz Typ II (46%)
    300g Melanoidinmalz (7%)
    30g Röstmalz Spezial Typ II (1%)

    Zusätze:

    Wasser:
    Hauptguss: 16l
    Nachguss: 8.9l

    Maische:
    4330g Schüttung Einmaischen in 16 Liter Wasser mit 54°C. 10 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 62°C. 35 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 72°C. 30 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 78°C. 0 Minuten Rast.
    Abmaischen wenn Jodnormal

    Hopfen:
    15g Tettnanger Pellets 4%α 70min Kochen
    10g Tettnanger Pellets 4%α 20min Kochen

    Hefe:
    Schneider Weisse, Gärung bei 21°C

     


  2. Sud Nr. 62 – „Thekla Wit“

    August 21, 2016 by Heiko

    Seit Monaten, ja Jahren, schiebe ich immer und immer wieder meinen Plan nach hinten, endlich mal ein Original Belgisches Witbier zu brauen. Nach 2monatiger Brauabstinenz und mit viel Kribbeln in den Fingern habe ich am Sonntag endlich den Braumeister „entstaubt“ und mich motiviert ans Werk gemacht. Die Vorfreude wurde durch das Wetter ein wenig getrübt und der Gartenbrautag musste zu einem Kellertreppenbrautag umgeplant werden. Die ganze Woche waren es 28°C und auch die kommende Woche soll’s hochsommerlich werden, aber ausgerechnet Samstag und Sonntag war leider mehr als bescheiden. Aber das konnte meine Vorfreude nicht trüben.

    Wat? Wit?

    Ein Witbier ist ein belgischer Weizenbierstil, der sich insbesondere durch seine helle strohgelbe Farbe und den dezenten Einsatz von Koriander und Orangenschalen kennzeichnet.

    organgenschalen

    Sieht zwar aus wie trockene Brotkrümel, sind aber getrocknete Orangenschalen.

    koriander

    Geröstete und zerstoßene indische Koriandersamen … duften herrlich.

    Die eindimsionalen Reinheitsgebotfanatiker schalten jetzt bitte ab und die Bierenthusiasten dürfen weiterlesen.

    Rohfrucht und Enzyme

    In einem Witbier kommt neben klassischen Braumalzen anteilig auch „Weizenrohfrucht“ zum Einsatz. Dabei handelt es sich ganz schlicht um unvermälztes Getreide. Im rohen Korn sind keine aktiven Enzyme enthalten. Diese sind für den Brauprozess allerdings von essentieller Bedeutung und werden erst durch das Mälzen im Korn gebildet. Maßgeblich sind hier die Alpha- und Beta-Amylase, die die Stärke (also ein Polysaccharid = Mehrfachzucker) im Korn zu kurzkettigen Zuckermolekülen aufspalten. Unter diesen Enyzymen sind zudem Proteasen zum Aufspalten von Eiweißverbindungen, Cellulasen zum Abbau von Cellulose und noch einige andere. D.h. eine Maische aus 100% Rohgetreide würde nie zu einer süßen Bierwürze werden. Bei diesem Rezept ist dies natürlich nicht der Fall, da die Enzyme im ebenfalls verwendeten Gerstenmalz in der Lage sind, die Stärke aus dem unvermälzten Weizenkorn mit zu verstoffwechseln, so dass auch hier am Ende eine Bierwürze steht, in der keine Stärke mehr (mit Hobbybrauerhilfsmitteln) nachgewiesen werden kann.

    Aber warum macht man das überhaupt? Nun, unvermälzter Weizen ist sehr hell und die Geschmacksintensität eher gering. Dadurch entstehen helle, schlanke Biere. Die schlanke Grundstruktur des Bieres schafft Entfaltungsspielräume für die Aromen, die durch den Einsatz der Gewürze und der eingesetzten belgischen Hefe ins Spiel kommen. Zudem erzeugen die Eiweißverbindungen im rohen Korn einen schönen stabilen Schaum und geben dem Bier Textur.
    Und nur um dem vorzubeugen: Ein Wit schmeckt nicht wie ein Kräutersud, der wie Omma’s Fußsalbe müffelt. Die Gewürze erzeugen ein frisches Zitrusaroma (ja, auch der Koriander) und das Bier bekommt eine hohe „Drinkability“, wie man schön im Neuhochdeutschen sagen würde.

    Kommerzielle Vertreter

    Wer mal ein kommerzielles Witbier probieren möchte, findet im gut sortieren Handel gerne man diese Version der belgischen Brauerei von Hoegaarden. Das findet man inzwischen nicht selten im Getränkemarkt um die Ecke. Oder auch das „Witte“ von La Trappe gibt’s gerne mal bei Edeka oder REWE im Bierregal, wobei es bessere Vertreter gibt – finde ich zumindest. Auch die Köstritzer Brauerei hatte in seinen Editionsbieren mal ein Wit am Start. Ebenfalls ganz okay, aber mir nicht authentisch genug. Oder er oder sie kommt einfach in 6 Wochen bei mir vorbei und probiert mal meine Version.

    Das Brauen an sich war recht entspannt, aber die Sudhausbeute war sehr sehr schlecht. Mit 60% Ausbeute hatte ich geplant, die in 10 Liter mit 12,6° Plato resultieren sollten. Letztendlich waren das dann nur knapp 9 Liter und nur 54% Ausbeute. Ich denke der hohe Rohfruchtanteil und die mangelnde Erfahrung damit waren die Ursache dafür.

    Und ja … der Biername?

    Der ist meine persönliche, nicht ganz ernst gemeinte Hommage an Thekla Carola Wied Wit. Nicht weil ich „Ich heirate eine Familie“ so geil fand, sondern eher weil ich dem schlechten Wortspiel nicht widerstehen konnte.

    Hier mein Rezept:

    Rezept „Fermentus Thekla Wit“

    Ausschlagmenge: 10l
    Stammwürze: 12.6°P
    Alkohol: 5.1%vol
    Bittere: 17IBU
    Farbe: 7EBC

    Schüttung:
    1200g Pilsner Malz (52%)
    900g Weizenflocken (39%)
    100g Karamellmalz Pils (4%)
    100g Sauermalz (4%)

    Zusätze:
    6g Orangenschale (10min Kochen)
    4g Koriander (5min Kochen)

    Wasser:
    Hauptguss: 12l
    Nachguss: 3l

    Maische:
    2300g Schüttung Einmaischen in 12 Liter Wasser mit 51°C ergibt 50°C. 10 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 55°C. 20 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 62°C. 35 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 72°C. 25 Minuten Rast.
    Abmaischen bei 78°C  wenn Jodnormal

    Hopfen:
    3g Herkules Pellets 17.3%α 70min Kochen
    5g Tettnanger Pellets 4.1%α 10min Kochen

    Hefe:
    Craft Series M21 Belgian Wit, Gärung bei 22°C

    Inspiriert durch: http://www.maischemalzundmehr.de/index.php?id=178&inhaltmitte=recipe


  3. Sud Nr. 54 „Comet Weizenbock“

    März 8, 2016 by Heiko

    Im Januar ist meine Comet Hopfenbestellung der 2015er Ernte eingetroffen. „Leider“ habe ich noch Restbestände aus der 2014er Charge übrig. Da der Hopfen wirklich zu schade für die Biotonne ist, habe ich mal in die weiteren Zutatenbestände geschaut. Im Hefefach habe ich noch je ein Päckchen Danstar Munich Wheat und Gozdawa BW11 Bavarian Wheat entdeckt. Zusammen mit einem angebrochenen Sack Weizenmalz (und ein bisschen Wiener, Münchener und Pilsener Malz) ist dann kurzentschlossen ein „Comet Weizenbock“ entstanden.

    Comet Weizenbock

    Ausschlagmenge: 10l
    Stammwürze: 16°P
    Alkohol: 6.7%vol
    Bittere: 19IBU
    Farbe: 14EBC

    Schüttung:
    1200g Weizenmalz hell (46%)
    550g Wiener Malz (21%)
    425g Pilsner Malz (16%)
    425g Münchner Malz Typ I (16%)

    Wasser:
    Hauptguss: 12l
    Nachguss: 2.8l

    Maische:
    2600g Schüttung Einmaischen in 12 Liter Wasser mit 49°C ergibt 45°C. 10 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 56°C. 10 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 64°C. 40 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 72°C. 30 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 78°C.
    Abmaischen wenn Jodnormal

    Hopfen:
    6g Comet (USA) Pellets 8%a 70min Kochen (11 IBU, 58%)
    8g Comet (USA) Pellets 8%a 5min Kochen (8 IBU, 42%)

    Hefe:
    Danstar Munich Wheat/Gozdawa BW11 Bavarian Wheat, Gärung bei 22°C

    UPDATE

    Comet Weizenbock

    Comet Weizenbock


  4. Sud Nr. 41 – Fermentus Easy Summer Wheat

    August 3, 2015 by Heiko

    Es muss ja nicht immer ein „ThaiPA“ ein „Belgisches IPA“ oder ein „Grätzer“ sein. Manchmal tut’s auch ein ehrliches Weizenbier als Durstlöscher für den Sommer. Am 25.07. habe ich daher endlich mal wieder mit Stu und Jesco einen (Weizen)Brautag eingelegt. 42 Liter „Easy Summer Wheat“ (50:50) für Stu und mich. Bei Jesco gab’s Weizen als Geschenk für seine Hochzeitsgäste.

    anlage

    Nach dem Hopfenseihen haben wir den Sud in zwei verschiedene Gäreimer aufgeteilt. Stu vergärt seine Hälfte zuhause mit der Wyeast 3068 und ich mit der Wyeast 3638. In ca. 5-6 Wochen vergleichen wir dann die Ergebnisse.

    Hier das Rezept:

    Rezept „Fermentus Easy Summer Wheat“

    Ausschlagmenge: 42l (bzw. 2 x 21l)
    Stammwürze: 11.9°P
    Alkohol: 4.8%vol
    Bittere: 13IBU
    Farbe: 10EBC

    Schüttung:
    3900g Weizenmalz hell (49%)
    2200g Pilsner Malz (28%)
    1100g Wiener Malz (14%)
    350g Caramelmalz Pils (4%)
    200g Melanoidinmalz (3%)
    150g Münchner Malz Typ I (2%)

    Wasser:
    Hauptguss: 28l
    Nachguss: 28l

    Maische:
    7900g Schüttung Einmaischen in 27.3 Liter Wasser mit 44°C ergibt 43°C. 15 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 63°C. 30 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 72°C. 30 Minuten Rast.
    Aufheizen auf 78°C. 5 Minuten Rast.
    Abmaischen wenn Jodnormal

    Hopfen:
    28g Tettnanger Pellets 4%a 70min Kochen (7 IBU, 54%)
    20g Cascade Pellets 7%a 15min Kochen (6 IBU, 46%)

    Hefe:
    WYEAST 3638 Bavarian Wheat, Gärung bei 21°C


  5. Sud Nr. 40 – Fermentus Grätzer

    Juli 7, 2015 by Heiko

    Ein Brautag am heißesten Tag des Jahres

    rueckblickLetzten Samstag habe ich zusammen mit Marco (entgegen jeglichen gesunden Menschenverstands) bei fast 40°C im Schatten unser seit längerem geplantes polnisches Grätzer gebraut. Während der deutsche Standard-Pils- oder Weizenbiertrinker bereits beim Hören der  Bierstile „India Pale Ale“, „Belgian Triple“ oder „Russian Imperial Stout“ aussteigt, wird sich sogar manch bewanderter Biertrinker fragen:

    „WTF ist ein Grätzer? Klingt eher wie eine juckende parasitäre Hautkrankheit.!?“

    Grätzer …

    … ist zunächst vereinfacht gesagt ein leichtes helles Weizenbier mit Raucharoma. Darunter kann man sich schon mal etwas mehr vorstellen.

    Der Bierstil geht zurück auf ein regionales Bier, das in und um die (heute) polnische Stadt Grodzisk Wielkopolski (zu Deutsch „Grätz“) bereits vor rund 700 Jahren gebraut wurde und der Stadt überregionale Bekanntheit verlieh.
    Es wurde traditionell mit einer niedrigen Stammwürze (also sehr leicht) eingebraut, so dass das fertige Bier lediglich 2-3 Volumenprozent Alkohol hatte. Zum Einsatz kam über Eichenholz geräuchertes Weizenmalz, das dem Bier eine deutliche rauchige Note verlieh. Ferner wurde damals (wohl vorwiegend aus verfahrenstechnischen Gründen) über Weidenrinde geläutert. Dies brachte neben zusätzlichen Bitterstoffen, auch aus der Rinde gelöste Acetylsalicylsäure ins Bier. Wir kennen Acetylsalicylsäure (ASS) als Hauptwirkstoff von Aspirin. Das Bier war somit zum einen leicht und bekömmlich und hatte darüber hinaus neben seiner isotonischen Zusammensetzung auch eine durchblutungsfördernde und leicht schmerzstillende Wirkung. Daher wurde es wohl auch damals von den Ärzten als gesundheitsförderlicher Trunk empfohlen.

    Nach mehr und weniger großen Schwankungen über die Jahrhunderte erreichte das Grätzer seinen Beliebtheitszenit wohl ca. 1890 bis 1910. Danach nahm die Bedeutung und auch die Nachfrage nach dem Grätzer Bier sukzessiv ab. Dies und mündet in den 1960er Jahren in der Schließung der letzten traditionellen Grätzer Brauerei. Durch die Renaissance handgemachter Biere und nicht zuletzt auch durch den Hobbybrauer Boom in den letzten Jahren, werden viele historische Bierstile wiederentdeckt. So auch das Grätzer. Marco brachte mich auf die Idee, gemeinsam einen solchen Versuch zu starten.

    Pionierarbeit haben bereits zwei andere Hobbybrauer (Rene und Moritz) hier geleistet. Moritz hat zusätzlich einen tollen Artikel („Grätzer selbstgebraut“) für das Braumagazin geschrieben und Jürgen Knoke hat darüber hinaus in der selben Ausgabe den historischen Bierstil beleuchtet, siehe hier.

    Maßgeblich Angelehnt an diese Erfahrungen und ein paar Recherchen habe ich letztendlich das folgende Rezept zusammengestellt:

    Rezept:

    Ausschlagmenge: 20l
    Stammwürze: 8.6°P
    Alkohol: 3.0%vol
    Bittere: 22IBU
    Farbe: 6EBC

    Schüttung:
    1800g Eichenrauch-Weizenmalz (100%)

    Wasser:
    Hauptguss: 16l
    Nachguss: 10l

    Maische:
    1800g Schüttung Einmaischen in 3.5 Liter Wasser mit 38°C. 30 Minuten Rast.
    1.7 Liter Wasser mit 95°C zugeben ergibt 52°C. 40 Minuten Rast.
    5.9 Liter Wasser mit 95°C zugeben ergibt 72°C. 30 Minuten Rast.
    4.5 Liter Wasser mit 95°C zugeben ergibt 78°C. 0 Minuten Rast.
    Abmaischen wenn Jodnormal

    Hopfen:
    25g Polnischer Lubelski 3.6%a 65min Kochen
    25g Polnischer Lubelski 3.6%a 10min Kochen

    Hefe:
    Fermentis Safbrew S-33 und Fermentis Safbrew T-58, Gärung bei 16°C

    Warum zwei Hefen?

    Die S-33 Hefe ist für einen niedrigen Vergärungsgrad bekannt. D.h. einen Teil der in der Würze enthaltenen Zuckerarten kann Sie nicht verstoffwechseln. Mit ihr habe ich die Würze am 05.07. bei 16°C angestellt. Die Gärung kam nach ca. 8 Stunden an und durfte zunächst 48 Stunden arbeiten. Danach war der Extraktgehalt von ursprünglich 8,3° auf 3,5° Plato von der Hefe vergoren.

    s33_t58

    Zu diesem Zeitpunkt habe ich das entstehende Jungbier zusätzlich mit frischer T-58 Hefe geimpft. Die T-58 Hefe hat einen höheren Endvergärungsgrad als die S-33. D.h. die T-58 Hefe kann auch Zuckerarten in Alkohol umwandeln, die die S-33 liegen lässt. Dies führt dazu, dass das Geschmacksprofil der ersten Hefe erhalten bleibt. aber dennoch ein (für die S-33) untypischer höherer Vergärungsgrad erzielt werden kann.

    Der Brautag

    Neben den unmenschlichen Temperaturen lief der Brautag (erwartet) unkonventionell ab und war zu großen Teilen durch Improvisation geprägt. Bei dem von uns eingesetzten Verfahren handelte es sich um eine aufsteigende Infusion als Bottichmaische. Das bedeutet, dass der Maischevorgang in einem isolierten Thermobehälter stattfindet und die Temperatursteigerungen nicht durch aktives Erhitzen der Maische mit einem Kocher, sondern durch Zubrühen von heißem Wasser erreicht werden.

    Soweit die Theorie. In der Praxis haben die geplanten Mischverhältnisse nicht genau hingehauen und wir landeten verlässlich und reproduzierbar unterhalb der gewünschten Zieltemperatur. Zu Beginn haben wir das durch zusätzliches heißes Wasser kompensiert. Gegen Ende mussten wir dann durch Entnahme einer Dünnmaische aus dem Maischebottich, die wir dann erhitzt und wieder zugebrüht haben, arbeiten. Wir haben also der letzten Raststufe durch eine zusätzliche Dekoktion auf die Sprünge geholfen. Alles in allem etwas hektisch und improvisiert, aber im Großen und Ganzen haben wir mit z.T. deutlich verlängerten Rastzeiten dann doch irgendwie das geplante Maischeprogramm durchgezogen.

    Läutern

    Durch den Einsatz von 100% Weizenmalz versprach das Läutern katastrophal zu werden. Weshalb? Weizen ist ein spelzenloses Getreide, d.h. im Vegleich zu Gerstenmalz besitzt es keine Kornhäute um den Stärkekörper. Diese Kornhäute sind die Spelzen und diejenigen, die beim Läutern die eigentliche Filterfunktion übernehmen. Dadurch ist bei 100% Weizenschüttungen eine pampig-schleimige Maische zu erwarten, die ein miserables Filterverhalten hat. Einige andere Hobbybrauer haben bereits mit der Zugabe von Reis- oder Dinkelspelzen als Läuterhilfe experimentiert. Zweitere schwimmen allerdings oben auf, so dass kein Absetzen und somit kein Filtereffekt zustande kommt. Daher habe ich am Vorabend 1kg Gerstenmalz in einem Kochtopf  gemaischt und „Treber produziert“. Die entstandene Würze habe ich als Nahrung für zukünftige Hefestarter eingefroren und die ausgelaugten Gerstenspelzen haben wir zum Läutern in die Weizenmaische gegeben. Und siehe da … das Läutern lief reibungslos ohne Abbrüche, Aufhacken des Treberkuchens oder ähnliches.

    Trotz unfallfreiem Läutern und mehrmaligem Aufgießen der trüben Vorderwürze habe ich noch nie eine so trübe und grau-gelbliche Brühe beim Brauen gesehen. Dreckiges Putzwasser war eine von vielen Assoziationen, die wir angesichts dieser trüben Suppe hatten.

    Truebe Würze

    Sinkender Würzestand mit Hopfen Trubkegel

    Aber naja. Unsere Hoffnung ruht auf der „Hausenblase“. Aber dazu gleich mehr.

    Mit etwas geringerer Ausschlagmenge, aber dennoch ganz zufrieden haben wir das „Putzwasser“ dann auf den Gaskocher gestellt. Bei ca. 50°C + x Außentemperatur in der Sonne war das Aufheizen der Würze und das wallende Kochen ein Kinderspiel. Zwei Gaben polnischer Lubelski Hopfen und 80 Minuten später waren dann ca. 12 Liter Würze im Gäreimer.

    Ach ja … die Hausenblase

    Beim Brauen der traditionellen Rezepte muss es wohl den Brauern ähnlich ergangen sein und auch deren Würze sah wohl eher wie eine milchige Plörre aus. Schon damals wusste man vermutlich, dass das Protein Kollagen eine klärende Wirkung auf trübstoffhaltige Flüssigkeiten hat. Kollagen geht Verbindungen mit in Flüssigkeiten gelösten Gerbstoffen ein. Diese Verbindungen sind schwerer als die umgebende Flüssigkeit. und sinken daher zu Boden. Auf dem Weg dorthin werden zusätzliche Trübstoffe „mitgenommen“ und die Flüssigkeit erfährt eine deutliche Klärung.

    Die „Hausenblase“ selbst ist die Schwimmblase des Hausenfischs. Der Hausen ist besser bekannt als „Beluga Stör“ und eher für seinen exklusiven Rogen den Belugakaviar berühmt. Wie auch immer … die Hausenblase besteht zum Großteil aus natürlichem Kollagen und erfüllt daher das Anforderungsprofil für unser Einsatzgebiet. Diese gibt es neutral und lebensmittelrein aufbereitet im Fachhandel für Weinbau.

    „Klingt irgendwie ekelhaft“ werden die meisten jetzt wohl sagen. Ein dünnes Weizen, dass nach Räucherschinken und Fisch schmeckt. Naja weit gefehlt. Klär- und Filtermittel sind im Weinbau und beim Bierbrauen Usus und man kann selten von Glück sagen, dass (wie hier) natürliche Stoffe zum Einsatz kommen. Wer den Marketing Mythos „Reinheitsgebot“ mal entzaubern möchte kann z.B. mal hier nachlesen, oder hier schauen, was alles ins gute Industriebier rein darf, um immer noch nach dem Reinheitsgebot gebraut zu sein. Als der fürsorgliche Herzog Wilhelm IV von Bayern 1516 an das Reinheitsgebot dachte, hat er mitnichten an Schönungsmittel wie Polyvinylpyprrolidon, asbestbasierte Filtrationsmittel oder an mit Hilfe von Methylenchlorid oder Trichloräthylen gelöste Hopfenextrakte, wie sie heute in fast jedem industriell auf die Spitze getriebenen Brauprozess zur Anwendung kommen, gedacht. Aber das soll hier gar nicht weiter thematisiert werden. Ich fasse zusammen. Trübes Jungbier + Hausenblase = Klares Jungbier.

    UPDATE vom 18.07.2015

    Nach der Zugabe von 2 Gramm Hausenblasepulver auf 13 Liter Jungbier habe ich eine Probe entnommen und in ein Glasfläschchen gefüllt.  5 Tage Geduld bewirken dies hier. Schon erstaunlich:

    vorher_nachher

    Vorher – Nachher

    Besondere Erwähnung …

    … verdienen die ausgefallenen Biere, die Marco zur Verkostung an unserem Brautag mitgebracht hat. Ich führe sie mal hier auf:

    Brauerei: Against the Grain
    Bier: Kamen Knuddeln – Dark Sour Ale
    Herkunft: Louisville, Kentucky, USA
    Link: Klick

    Brauerei: Port Brewing
    Bier: Shark Attack – Double Red Ale
    Herkunft: San Marcos, California, USA
    Link: Klick

    Brauerei: Brasserie Lepers
    Bier: L’Angelus Bière de Froment – Bière de Garde
    Herkunft: La Chapelle-d’Armentières, Frankreich
    Link: Klick oder Klick

    Brauerei: Buddelship Hamburg
    Bier: Spider Monkey – Coffee IPA
    Herkunft: Hamburg, Deutschland
    Link: Klick oder Klick

    Brauerei: Westbrook Brewing Co.
    Bier: Lichtenhainer – Pale Sour Smokey Wheat Ale
    Herkunft: Mount Pleasant, South Carolina, USA
    Link: Klick

    Jedes für sich verdammt spannend, wenn auch nicht in jedem Fall im überschwänglich positiven Sinne. So fanden z.B. nur wenige Schlucke des Lichtenhainers den Weg in unsere durstigen Kehlen. 😉 Marco hat den Bierstil nochmal beim BJCP nachgeschlagen und fand folgende Beschreibung:

    „Smoke and sour is an unusual combination that is not for everyone“

    Wie wahr, wie wahr. 😉


  6. Fermentus Sommerweizen

    September 30, 2014 by Heiko

    Gebraut: 29.05.2014

    Abgefüllt: 09.06.2014

    Stammwürze: 12,3%

    Alkoholgehalt: 5,0% Vol.


  7. Fermentus Hochzeitsweizen

    September 15, 2014 by Heiko

    Gebraut: 02.05.2014

    Abgefüllt: 11.05.2014

    Stammwürze: 12,5%

    Alkoholgehalt: 5,0% Vol.


  8. Sud NR. 23 – Fermentus Sommerweizen

    Juni 2, 2014 by Heiko

    Da das letzte Weizen ja ausschließlich für unsere Hochzeitsgäste gedacht ist, habe ich am Vatertag noch ein sommerliches helles Weizenbier hinterher geschoben. Ich war zum zweiten Mal bei Johannes, Steuart und Jesco in Kleinlinden und wir haben wieder zwei parallele Sude gebraut. Bei den Jungs stand ein Pale Ale auf dem Plan.

    Am 30. April habe ich den 25 Liter Sud zuhause geteilt.20 Liter habe ich mit der Wyeast 3068 Weihenstephan in der 2. Führung angestellt. 5 Liter habe ich vorher abgezwackt und probiere damit mal diese neue Weizenbiertrockenhefe der polnischen Firma Gozdawa aus.

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    Mal gespannt, ob diese Hefe den schlechten Ruf von Weizentrockenhefen etwas aufpolieren kann.

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    Wyeast 3068 (20 Liter) und Gozdawa BW11 (5 Liter)

    Rezept „Fermentus Sommerweizen“

    Ausschlagmenge: 24l
    Stammwürze: 12.6°P
    Alkohol: 5.2%vol
    Bittere: 14IBU
    Farbe: 16EBC

    Schüttung:
    2200g Weizenmalz hell (48%)
    1100g Münchner Malz Typ II (24%)
    1000g Pale Ale Malz (22%)
    150g Caramelmalz Hell (3%)
    100g Sauermalz (2%)

    Wasser:
    Hauptguss: 17.5l
    Nachguss: 12.5l

    Maische:
    4550g Schüttung Einmaischen in 17.5 Liter Wasser mit 49°C ergibt 45°C. 10 Minuten Rast. 
    Aufheizen auf 56°C. 10 Minuten Rast. 
    Aufheizen auf 62°C. 30 Minuten Rast. 
    Aufheizen auf 72°C. 30 Minuten Rast. 
    Abmaischen bei 78°C wenn Jodnormal

    Hopfen:
    15g Spalter Select Pellets 4%a 60min Kochen
    18g Spalter Select Pellets 4%a 15min Kochen
    10g Willamette Pellets 6.2%a in den Whirlpool

    Hefe:
    WYEAST 3068 Weihenstephan Weizen, Gärung bei 21°C


  9. Sud NR. 22 – Fermentus Hochzeitsweizen

    Mai 30, 2014 by Heiko

    Für meine Hochzeitsfeier im Juli haben wir knapp 5 Kästen helles Hefeweizen gebraut. Nach den bisherigen Erfahrungen mit zwei verschiedenen Weizentrockenhefen (Malzwerkstatt König Ludwig & Danstar Munich Wheat) bin ich den (beinahe einstimmigen) Empfehlungen gefolgt und habe dieses Mal eine Flüssigweizenhefe (Wyeast 3068 Weihenstephan) eingesetzt.

    Ich war mit den Ergebnisse der Trockenhefen (Amarillo Weizenbock & König Ludwig Hefeweizen) nicht unzufrieden, aber habe doch das (für mich) weizentypische, dass ich z.B. an den Weizenbieren von Schneider so schätze, nicht ganz wiedergefunden. Wir werden sehen.

    Rezept „Fermentus Hochzeitsweizen“

    Ausschlagmenge: 45l
    Stammwürze: 12.5°P
    Alkohol: 5.1%vol
    Bittere: 12IBU
    Farbe: 12EBC

    Schüttung:
    4200g Weizenmalz hell (50%)
    3200g Pilsner Malz (38%)
    600g Münchner Malz Typ I (7%)
    400g Melanoidinmalz (5%)

    Wasser:
    Hauptguss: 32l
    Nachguss: 27.5l

    Maische:
    8400g Schüttung Einmaischen in 32 Liter Wasser mit 44°C ergibt 43°C. 15 Minuten Rast. 
    Aufheizen auf 63°C. 30 Minuten Rast. 
    Aufheizen auf 72°C. 30 Minuten Rast. 
    Aufheizen auf 78°C. 5 Minuten Rast. 
    Abmaischen wenn Jodnormal

    Hopfen:
    20g Tettnanger Pellets 3.7%a 70min Kochen
    20g Tettnanger Pellets 3.7%a 40min Kochen
    20g Tettnanger Pellets 3.7%a 20min Kochen

    Hefe:
    WYEAST 3068 Weihenstephan Weizen, Gärung bei 21°C

    Inspiration:
    https://brauerei.mueggelland.de/rezeptdetails/items/126.html


  10. Ein Jahr Fermentus

    Mai 7, 2014 by Heiko

    Im Januar 2013 habe ich mit Maischebrauen angefangen. Seitdem sind 20 Biere gebraut worden. Das 21. ist gerade in der Nach- und das 22. in der Hauptgärung.

    1_jahr_fermentus_biere

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